Wie verstehen wir Beratung?
Beratung verstehen wir als allgemeinen Oberbegriff, der spezifischere Formen, wie Supervision und Coaching, ja, sogar therapeutische Interventionen, einschließt. Immer geht es darum, Menschen in schwierigen Situationen, in Konflikten und Krisen zu befähigen, selber ihr Schicksal in die Hand zu nehmen und aktiv auf die Lösung ihrer Probleme hinzuarbeiten.
In einer näheren Bestimmung des Begriffs sprechen wir von problemlösungsorientierter Beratung, die sich zum Ziel setzt, in strukturierten Arbeitsschritten die mentalen und praktischen Voraussetzungen für einen Veränderungsprozess zu schaffen. Die Beratung kann auch darüber hinaus diesen Veränderungsprozess begleiten und steuern helfen.
Die Beratung findet nach einem Kontaktgespräch auf der Basis eines schriftlichen Kontraktes statt, in dem sowohl die Grunddaten, die Rahmenbedingungen, die Konditionen und in Umrissen Thema und Zielsetzung festgehalten werden. Wenn es sich um einen längeren Beratungsprozess handelt, wie in der Regel bei Supervisionen, ist es sinnvoll, die gemeinsame Arbeit mit einer Evaluation abzuschließen.
Das generelle Ziel unseres beraterischen Handelns verstehen wir als "Hilfe zur Selbsthilfe". Die Selbstverantwortung der Ratsuchenden für die Bearbeitung und Lösung ihrer Probleme wird ihnen nicht abgenommen. Vielmehr wollen wir ihre Kräfte mobilisieren und Hilfe im Klärungs- und Entscheidungsprozess anbieten, die sie dazu befähigen.
Diese Funktion der Beratung entspricht jedoch nicht unbedingt den Erwartungen des Ratsuchenden*. Verständlicherweise sucht der problembeladene Mensch vor allem Entlastung. Er möchte sich nicht noch zusätzlich der Mühe unterziehen, selber die Lösung des Problems zu suchen, sie sich zu erarbeiten. Viel angenehmer ist es doch, das Problem beim Berater* abzuladen. Dieser habe ja die Fachkompetenz und werde dann schon Rat wissen, was zu tun sei.
Beratung verstehen wir als Begleiten und Führen in einem. Begleiten heißt, sich im "Schulterschluss" mit dem Ratsuchenden auf seinen Weg zur Veränderung zu begeben, sich seinem Tempo und Rhythmus anzupassen und auch Umwege und Auf-der-Stelle-Treten zuzulassen. Führen heißt, dem Prozess eine Struktur zu geben und diese Struktur als Orientierung transparent zu machen. Damit wird der Zielhorizont nicht aus den Augen verloren, ohne dass die individuellen Suchbewegungen des Ratsuchenden eingeschränkt werden.
Der Berater lässt sich also einfühlsam ("Empathie") auf die Person des Ratsuchenden und ihre Art, mit dem Problem umzugehen, ein, ohne die professionelle Distanz zu verlieren, die nötig ist, um ihn aus der Selbst- und Problembefangenheit herauszuführen und den Blick für neue Wege und alternative Optionen freizumachen. Wir bedienen uns dabei professioneller Techniken der nicht-direktiven Gesprächsführung und, wo es sinnvoll erscheint, auch spezieller Darstellungsformen der Problemkonstellation oder der inneren Befindlichkeit der beteiligten Person.
Die Struktur des Beratungsprozesses lässt sich schematisch im Bild des Trichters darstellen: Der Trichter, oben ganz weit offen, verengt sich mehr und mehr bis zum Abflussrohr, aus dem zielgenau die Problemlösung fließt.
Literaturhinweise:
P. Waltner: Kollegen und Mitarbeiter professionell beraten. Ein Leitfaden für Arbeitnehmervertreter und Führungskräfte. Rieder Verlag, 2016 (4., erweiterte Aufl.)
ders.: Beratung im Betrieblichen Eingliederungsmanagement. Menschen mit gesundheitlichen Belastungen durch das BEM führen und begleiten. Rieder Verlag, 2016
Peter Waltner