Was ist Supervision?
So bekannt alle möglichen Formen der Therapie sind, so gering oder diffus sind oft die Vorstellungen über Supervision.
Worum geht es bei Supervision überhaupt?
Der Fokus der Supervision liegt auf der Arbeitswelt. Wobei ich den Begriff Arbeitswelt weit fasse und auch das ehrenamtliche Engagement und die politische Arbeit dazurechne.
Verbreitet ist Supervision vor allem im sozialen und medizinischen Bereich. Sinnvoll ist sie aber nicht nur da, wo Menschen für Menschen arbeiten, sondern überhaupt überall, wo Menschen in Organisationen und betriebliche Strukturen eingebunden sind (egal, was produziert wird), wo sie in Teams zusammenarbeiten oder Leitungsaufgaben ausüben. Ein berufstätiger Mensch verbringt, wenn er 8 Stunden arbeitet, 8 Stunden schläft und 8 Stunden seinem Privat- und Familienleben widmet, ein Drittel des Tages bei der Arbeit. Wir alle wissen, dass sich für die meisten berufstätigen Menschen (von denen mit Doppel- oder Dreifachbelastung Job - Haushalt/Kinder - häusliche Pflege ganz zu schweigen) diese Stundenaufteilung zugunsten von Arbeit verschiebt und dass die innere Beschäftigung mit ihr weit in die private Zeit und manchmal auch in die Nächte oder gar in den Schlaf hineinreicht.
Ist es da nicht naheliegend, sich Unterstützung zu gönnen?
Gerade in schwierigen beruflichen Situationen besteht die Gefahr, sich mit den eigenen Gedanken im Kreis zu drehen. SupervisorInnen haben gelernt, in der richtigen Weise zuzuhören. Sie verstehen, wie Belastungen und Konflikte in der Arbeit sich mit solchen aus dem Privatleben verbinden und sich wechselseitig verstärken können. Und sie verfügen über Methoden, die ihre KlientInnen befähigen, selber ihre Situation zu analysieren, neue Wege zu suchen und Veränderungen anzubahnen.
Unterstützung heißt für mich, dass der/die SupervisorIn davon ausgeht, dass SupervisandInnen selber die Experten ihrer Lage sind und dass die Supervision der Rahmen ist, in dem sie Zeit und Ruhe finden, im geschützten Rahmen über ihre Situation zu sprechen, sich emotional zu entlasten, zu reflektieren, Überblick und Abstand zu gewinnen und aus dieser Distanz wieder neue Denk- und Handlungsspielräume zu entdecken. Das Besondere an der Supervision ist folglich, dass der/die SupervisandIn seinen/ihren eigenen Prozess aktiv und selbstverantwortlich gestaltet. Funktion des/der SupervisorIn ist es, mit Methodenkompetenz diesen Prozess zu ermöglichen und zu fördern.
Wann brauchen Sie Supervision?
• Sie wünschen sich einen unabhängigen Gesprächspartner.
• Sie wollen oder müssen sich beruflich verändern.
• Sie stehen vor schwierigen beruflichen Entscheidungen.
• Sie haben Konflikte mit Kollegen oder Vorgesetzten.
• Sie fühlen sich durch Ihre Arbeit überfordert.
• Sie wollen Neues in Ihrer Arbeit planen und ausprobieren.
• Sie suchen Unterstützung als Leiter oder Leiterin.
Wann brauchen Einrichtungen und Teams Supervision?
Supervision ist nicht nur angezeigt, wenn etwas „schief“-läuft. In vielen Berufsfeldern, schon lange im sozialen und medizinischen Bereich, gehört Supervision selbstverständlich zur Unterstützung der Mitarbeiter und der Qualitätssicherung.
Anlässe können sein:
• Konflikte im Team
• Probleme durch Umstrukturierungen in der Organisation
oder im Arbeitsfeld
• Zusammenlegung von Abteilungen oder ganzen Betrieben
• Die Übergabe eines Betriebes an die Nachfolgegeneration
• Der Übergang von Familienbetrieben in andere Organisationsformen
• Integration neuer MitarbeiterInnen ins Team
• Suche nach Lösungen für besonders schwierige oder neue Aufgaben
Welche Formen der Supervision gibt es?
Einzelsupervision
dient der Reflexion der eigenen beruflichen Situation im weitesten Sinne. Themen können sein: die Rolle im Team, Probleme mit Vorgesetzten oder als Vorgesetzte(r) mit Mitarbeitern, der Umgang mit Kunden, Patienten, Schülern oder Heimbewohnern, Abgrenzung und Belastung, Berufsbild und Berufsalltag.
Der/die SupervisandIn steht im Mittelpunkt des Prozesses und ist darin Hauptakteur.
Ziel sind Entlastung, Distanz und die Suche nach neuen Handlungsspielräumen.
Teamsupervision
begleitet Teams, die im gleichen Arbeitsfeld oder projektbezogen zusammenarbeiten.
Der Fokus liegt einmal auf dem Team selber. Teamsupervision will nicht einfach eine weitere Dienstbesprechung sein, sondern sie dient der Klärung von Fragen, die die Kooperation und Beziehung der Teammitglieder bzw. der Mitglieder mit ihren Vorgesetzten betreffen. Sie hat auch zum Ziel, Störungen und Teamkonflikte zu bearbeiten.
Zum anderen dient sie natürlich auch der Bearbeitung gemeinsamer beruflicher Fragen, wie der Beziehungen der Teammitglieder zu Kunden, Klienten, Patienten.
Teamsupervision, geleitet von einem externen Supervisor, wirkt sich in der Regel entlastend aus und begünstigt neue Lösungsansätze zu Bewältigung der gemeinsamen Aufgaben.
Gruppensupervision
unterscheidet sich von der Teamsupervision darin, dass die TeilnehmerInnen in der Regel aus verschiedenen Organisationen und Einrichtungen zusammenkommen. Die Arbeitsfelder sind zwar verwandt, die SupervisandInnen teilen aber nicht ihren beruflichen Alltag.
Sie lernen fachlich voneinander und bieten sich in der Gruppe – ähnlich wie in der Einzelsupervision – einen neutralen und geschützten Raum.
Da jede Gruppe ihre eigene Gruppendynamik entwickelt, bietet die Gruppensupervision auch ein soziales Lernfeld, in dem Gruppenerfahrungen gemacht werden können.
Solche Gruppen werden auch gerne von beruflichen "Einzelkämpfern" genutzt und bleiben, meistens über längere Zeiträume, zusammen.
Leitungssupervision
ist eng mit dem Coaching verwandt.
Sie kann einzeln, aber auch in Gruppen stattfinden. Sie unterstützt Führungspersonen darin, ihre Leitungsaufgaben reflektiert wahrzunehmen. Dazu gehört der Blick auf die eigene Person, die eigene Fachkompetenz, die Wahrnehmungen der Mitarbeiter, die eigenen Spielräume in der Hierarchie und das Verhalten in Konflikten.
Das Wissen um die fachlichen und menschlichen Anforderungen ist wichtig, ersetzt aber nicht die ganz persönliche Auseinandersetzung mit den Problemen, Konflikten und Belastungen, die die Führungsposition mit sich bringt.
Leitungssupervision kann nicht nur neue Perspektiven in der Arbeit und in der Wahrnehmung der Leitungsfunktion eröffnen, sondern auch dazu führen, dass die Herausforderung Freude macht!
Fallsupervision
unterscheidet sich vom Dienst- oder Expertengespräch darin, dass sie die Beziehung von MitarbeiterInnen zu deren Klienten thematisiert und analysiert. Hier ist der Ort, wo Projektionen und Übertragungen erkannt und bearbeitet werden.
Fallsupervision ist im eigentlichen Sinne keine weitere Form, sie hat ihren Platz in den bereits beschriebenen Formen Einzel-, Team- und Gruppensupervision. Das Besondere ist, dass Gesprächsgegenstand nicht das Team, die Organisation oder irgendwelche Strukturfragen sind, sondern – nach Absprache unter den TeilnehmerInnen – ein oder mehrere Fälle aus ihrer Arbeit.
Wie lange dauert Supervision?
Selbstverständlich kann man sich einmal oder auch zweimal beraten lassen. Im Unterschied zu einer solchen Kurzberatung ist Supervision ihrem Wesen nach ein Prozess, dessen Subjekt, dessen Akteur der/die SupervisandIn ist.
Ziel dieses Prozesses ist es, Abstand zu gewinnen, sich selber als Gruppe oder Individuum wahrzunehmen, an Teamproblemen zu arbeiten, Spielräume zu entdecken, möglicherweise Berufsverhalten zu ändern und Neues zu probieren.
Prozesse brauchen Zeit!!!
Es gibt Einrichtungen, die ihren Mitarbeitern kontinuierlich supervisorische Begleitung anbieten. Manche Einzelpersonen oder Teams leisten sich Supervision in Zeiten des Umbruchs oder wenn Teamkonflikte oder Krisen es erfordern. Das können Wochen oder Monate sein. Es ist aber auch sinnvoll, 6 bis 10 Sitzungen zu vereinbaren, um ein Stück Begleitung zu finden oder eine Problemsituation zu anzugehen. Auch ein Supervisionstag oder -wochenende sind denkbar.
Ich habe SupervisandInnen, die eine Zeitlang kommen, dann längere Zeit ohne Supervision arbeiten, um danach wiederzukommen und im vertrauten Rahmen Bilanz zu ziehen, das gegangene Stück Weges zu reflektieren oder den Faden von früher wiederaufzunehmen.
Supervision und Therapie – wo liegt die Grenze?
Gibt es einen schleichenden Übergang?
Supervision und Therapie sind verwandte Disziplinen. Aber einen schleichenden, nicht abgesprochenen Übergang, eine Grauzone zwischen beiden darf es dennoch nicht geben!
Gewiss steht am Arbeitsplatz unsere Berufsrolle im Vordergrund. Aber wir sind dennoch auch in dieser Rolle ganzheitliche Menschen mit unserer Familiengeschichte, unseren privaten Beziehungen, unserer Berufsbiographie und unseren individuellen Eigenschaften und Bedürfnissen. Nicht nur geraten wir immer wieder in Problemlagen, die sich (auffälligerweise) wiederholen, wir verfügen auch über bewährte Lösungsstrategien und Kraftquellen.
Um der Komplexität beruflicher Fragen gerecht zu werden, werden deshalb, neben den supervisorischen Methoden, Denkmodelle und Ansätze aus unterschiedlichen therapeutischen und sozialwissenschaftlichen Richtungen, situationsbezogen in abgewandelter Form, eingesetzt. Es können nach Absprache auch ganz persönliche Themen in den Mittelpunkt einzelner Stunden gestellt werden. Supervision kann und will aber Therapie nicht ersetzen. Wohl aber kann sie diesbezüglichen Bedarf bewusst machen.
Supervision – Wer soll denn das bezahlen?
Supervision gehört vorrangig zur Arbeitswelt und sollte auch möglichst vom Arbeitgeber bezahlt werden.
Viele Berufstätige, insbesondere Selbstständige, gönnen sich aber auch alleine oder in der Gruppe Supervision, um sich durchs Berufsleben begleiten zu lassen, Entlastung zu finden und – vor allem – um Krisenzeiten besser durchzustehen. Letzteres dient der beruflichen Sicherheit oder unterstützt eine berufliche Neuorientierung.
Eva Maria Waltner