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Was ist OST?

Die Geburtsstunde der Open Space Technology (OST), der Methode des Offenen Raumes, – so erzählt dessen geistiger Vater Harrison Owen (*1935) – war eine internationale Konferenz, die er 1983 mit viel Einsatz vorbereitet hatte. Die anschließende Befragung der Teilnehmer ergab zwar eine Würdigung der aufwendigen Tagung, begeistert zeigten sich die TeilnehmerInnen jedoch von den informellen Gesprächen in den Kaffeepausen. Da hatte man intensiv über die drängendsten Themen gesprochen, jede Menge Kontakte geknüpft und Netzwerke gebildet.

Das Prinzip "Kaffeepause"

Der erfahrene Organisationsberater Owen begann, den Prozess der Pausen-Gespräche zu erforschen, und entwickelte einen offenen Konferenztyp mit der 'Kaffeepause' als zentralem Element. Seitdem avancierte Open Space zur bekanntesten und wohl auch revolutionärsten Form der Großgruppeninterventionen.

Open Space ermöglicht es, komplexe Themen bei maximaler Selbstorganisation mit bis zu 750 Menschen zu bearbeiten. Inzwischen wurde diese ursprünglich gesetzte Obergrenze  mit Konferenzgrößen bis zu 1.500 Teilnehmern „getoppt“.

Die Tagesordnungspunkte bestimmen die TeilnehmerInnen zu Beginn selbst. Ebenso übernimmt jede(r) TeilnehmerIn die vollständige Verantwortung dafür, wo und wann er/sie während der Konferenz mitarbeitet. Einzige Vorgabe einer Open-Space-Konferenz ist ein Generalthema, über das in den folgenden drei Tagen diskutiert werden soll.

Das Thema muss den Beteiligten wichtig, von keinem allein zu lösen und breit genug sein, um Spielraum für Ideen und Kreativität zu lassen. Geeignete Themen sind beispielsweise die Zukunft der eigenen Firma, die Verbesserung der Servicequalität oder der Zusammenarbeit zwischen Abteilungen.

Beginn einer Open-Space-Konferenz

   •  Zu Beginn der Open-Space-Konferenz kommen alle Beteiligten in einem
       Raum zusammen.
   •  Nach der Vorstellung des Generalthemas erhalten ausnahmslos alle
       TeilnehmerInnen die Möglichkeit, ihr Anliegen auf die Tagesordnung zu
       bringen. Hierzu treten sie in die Mitte des Plenums, um sich und ihr
       Workshop-Thema vorzustellen.
   •  Die Präsentation im Plenum dient zugleich als Filter, damit tatsächlich nur
       die Themen bearbeitet werden, für die die Themengeber echtes
       Engagement mitbringen.
   •  Anschließend werden die jeweiligen Themen an eine Pinnwand geheftet, die
       in ein grobes Zeitschema unterteilt ist. Sie stellt die Tagesordnung für die
       kommenden zwei Tage des 'Open Space' dar.  
   •  Von jetzt an hat der/die TeilnehmerIn die Freiheit und (freiwillige Selbst-)
       Verpflichtung, genau in den Workshops mitzuarbeiten, die ihn/sie
       interessieren.
   •  Stellt jemand fest, dass er in der von ihm gewählten Gruppe keinen Beitrag
       leisten kann oder nichts lernt, geht er in eine andere. Diese Regelung gilt im
       Open Space als "Gesetz der zwei Füße".

Das "Gesetz der zwei Füße"

Die Abstimmung über die relevanten Themen erfolgt permanent durch "Beinarbeit". D. h. niemand ist zur Teilnahme oder zum Verweilen in einem Workshop verpflichtet. Themen, die viele für wichtig erachten, werden von mehr Personen besucht werden als andere. Aber auch dann, wenn die Arbeitsgruppe lediglich aus ihrem Initiator besteht, hat dieser das gleiche Recht, seine Überlegungen in die Dokumentation einfließen zu lassen. 

"Hummeln" und "Schmetterlinge"

   •  "Hummeln" (oder auch "Bienen") sind die eifrigen ArbeiterInnen, die
       ergebnisorientiert an den Aufgabenstellungen arbeiten und an der
       jeweiligen Arbeitsgruppe in vollem Umfang teilnehmen.
   •  "Schmetterlinge" flattern dagegen von einer Arbeitsgruppe zur anderen und
       sammeln unterschiedliche Eindrücke. Sie fungieren als Ideenstreuer von
       einer Gruppe zur anderen, eventuell treffen sie sich zwischendurch auch
       an der Bar.

Die absolute Entscheidungsfreiheit und Selbstverantwortung der TeilnehmerInnen unterstreichen auch die folgenden
4 Regeln:

   •  "Wer auch immer kommt, es sind die richtigen Leute!"

       Egal ob sich nur einer oder 25 für ein Thema interessieren – es sind genau
       die Menschen, deren Motivation für dieses Thema offensichtlich groß ist.
   •  "Was auch immer geschieht, es ist okay!"
       Die ungeplanten und unerwarteten Dinge sind oft die kreativsten.
   •  "Es beginnt, wenn es beginnt!"
       Im Open Space ist Unpünktlichkeit erlaubt, denn die menschliche Energie
       richtet sich nicht nach der Uhr.
   •  "Vorbei ist vorbei!"
       Ein Workshop wird dann beendet, wenn alles zum Thema gesagt ist, auch
       wenn eigentlich noch Zeit übrig bleibt.

Vom Workshop-Marathon zur Maßnahmenplanung

Noch während der Phase des Open Space verfassen die jeweiligen Workshop-InitiatorInnen einen schriftlichen Bericht von maximal drei Seiten Länge über die Resultate ihres Workshops. Diese Berichte werden in der Nacht vom zweiten zum dritten Konferenztag für jeden Teilnehmer fotokopiert. Am Vormittag des dritten Tages studieren die Konferenzteilnehmer die gebündelten Ergebnisse und notieren sich die Nummern der Berichte, die die aus ihrer Sicht wichtigsten Ergebnisse enthalten.Anschließend werden mittels Punktabfrage an der Pinnwand die

"Top Ten" der wichtigsten Berichte ermittelt. In diese sollen die verfügbaren Ressourcen vordringlich gelenkt werden. Alle Teilnehmer sind darauf hin noch einmal aufgerufen, zusätzliche Anregungen einzubringen und an eine für jedes Thema bereitgestellte Pinnwand zu heften.

Dann treffen sich noch einmal die Freiwilligengruppen dieser Top-Ten-Themen und verabreden ihr weiteres Vorgehen. Auch hier gilt das Prinzip der Selbstverantwortung: Es sollen nur diejenigen in die Gruppen gehen, die definitiv gewillt sind, auch nach der Konferenz weiter an dem Thema zu arbeiten. Danach wird die Konferenz mit einer abschließenden Reflexion unter der Beteiligung aller beendet.

Längst hat man auch gute Erfahrungen mit eintägigen OST-Konferenzen gemacht hat. Die Besonderheit bei eintägigen Konferenzen ist, dass nicht nur die Abfassung, sondern auch der Druck und die Vervielfältigung der Workshop-Protokolle in die Arbeitsphase fallen. Es ist zu überlegen, ob man eine(n) „SekretärIn“ anstellt, um die Arbeitsgruppen zu entlasten.

"Es gibt einen einzigen Weg, der den Misserfolg einer Open-Space-Konferenz garantiert, und das ist der Versuch, die Kontrolle zu behalten", ist ihr Erfinder, Harrison Owen, überzeugt.

Wann ist OST nicht geeignet?

Ist die Unternehmensführung nicht in der Lage, das Generalthema so offen zu formulieren, dass den MitarbeiterInnen Gestaltungsspielräume gegeben werden, und sieht sie sich außerstande, unerwartete Ergebnisse zu unterstützen, wird die Open-Space-Konferenz zum Fehlschlag.

Ebenso kontraproduktiv ist es, der Gruppe 'ihr' Thema wegzunehmen und es an den/die 'zuständige(n)' Linien- oder Projektverantwortliche(n) zu übertragen. Erscheint aufgrund des Umfangs der Maßnahme ein formelles Projekt sinnvoll, müssen bei der Besetzung die Mitglieder des Open-Space-Workshops berücksichtigt werden.

Es hat sich zudem bewährt, nach ein paar Wochen noch einmal alle InitiatorInnen von Gruppen sowie die Geschäftsleitung zusammenzuholen, um Fortschritte und Schwierigkeiten zu erörtern.

Übertragung des Open-Space-Prinzips auf Themenarbeit in Seminaren

Ich benutze dieses Prinzip der offenen Themenarbeit im offenen Raum mit der Möglichkeit, jederzeit die Gruppierung zu wechseln, auch in Seminaren normaler Größe (unter 20 Teilnehmern). Das Ganze eben im Mini-Maßstab mit Pinnwänden, auf denen die jeweiligen Themenverantwortlichen die Ideen und Ergebnisse in den Gesprächen an den Themenwänden festhalten bzw. dafür sorgen, dass sie auf irgendeine Weise für die anschließende Präsentation und Diskussion im Plenum festgehalten werden. Diese Methode ist dem "Marktplatz" mit Themenständen (Pinnwänden) und "Standbetreibern" verwandt.

Peter Waltner